Werner

Santa Claus.
Dieser Freundschaft fordert Geduld

Übermorgen ist Weihnachten und ich habe mich mit meinem Freund Werner in der Stadt auf einen Kaffee verabredet. Werner hat Probleme mit dem Zuhören, ständig vergisst er was oder träumt herum. Also ging ich auf Nummer sicher: „Werner! Ich habe nur bis halb zwei Zeit, dann muss ich nach Hause. 12 Uhr im Café, okay? 12 Uhr!!“ Zur Sicherheit schrieb ich ihm die Uhrzeit noch in eine SMS, immerhin lagen zwischen unserem Telefonat und dem Treffen zwei Tage.
Gegen halb zwölf kämpfte ich mich mit der gefühlten halben Menschheit ins Parkhaus und ergatterte endlich einen Parkplatz. Tief durchatmend suchte ich meine Sachen im Auto zusammen, als mein Handy klingelte. Werner, natürlich!
„Äh, um wie viel Uhr waren wir verabredet? – 12 Uhr? – Oh, das schaffe ich nicht. Ich beeile mich aber, wird etwas später…“
Als ich um halb eins meinen Kaffee und mein Panini vertilgt hatte, wollte ich los und bezahlte. Geduld ist keine Eigenschaft von mir. Keine Spur von Werner. Ich zückte meine Einkaufsliste und spurtete los Richtung Lebensmittel. Da kam mir ganz gemütlich Werner entgegen. „Oh, dann gehe ich mit dir einkaufen und danach trinken wir noch einen Kaffee!?“ Treuer Hundeblick, verträumter Augenaufschlag.
„Nein Werner, ich muss im halb zwei zuhause sein. Meine Putzfrau kommt. Wir waren um 12 Uhr verabredet.“ Doch von solchen profanen Ausreden lässt sich Werner nicht abschrecken. Also dackelte er hinter mir her, einen leeren Einkaufskorb schlenkernd, während ich konzentriert die letzten Besorgungen machte.
Irgendwann war er verschwunden. Absorbiert von einem Weinverkosterstand, einer Wurtsfachverkäuferin oder einer beeindruckend filigran hergerichteten Schokoladen-Auslage. Reizfilterschwäche, wahrnehmungsoffen, egozentrisch …… und sehr einsam, dachte ich, als ich meine vollen Tüten pünktlich auf den Beifahrersitz stellte und nach Hause fuhr.